Solar-Boom: Wie entwickeln sich die Wachstumsraten?

Wie beeindruckend der globale Photovoltaik-Boom ist, lässt sich an seinen Rekorden ablesen: In keine andere Energietechnologie wird global so viel investiert wie in die Photovoltaik.1 Der weltweite Photovoltaik-Zubau wächst seit mehreren Jahren exponentiell.2 Zu Jahresbeginn 2023 waren bereits insgesamt 1,4 Terawatt (TW) Solarleistung installiert. Im Frühjahr wurde bereits die Schallmauer von 2 Terawatt durchbrochen, was einer Leistung von 2 Milliarden Kilowatt entspricht.3 Auch in Deutschland wächst der Zubau der Photovoltaik exponentiell: Mit 15 GW wurde in 2023 ein neuer europäischer Rekord aufgestellt. Das letztjährige gesetzlich festgelegte Ausbauziel von 88 Gigawatt ist bereits im Sommer übertroffen worden.4
Angesichts dieser Zahlen liegt es auf der Hand, dass die Photovoltaik ein für Investitionen spannender Wachstumsmarkt ist. Wie aber wird es weitergehen? Können die Wachstumsraten so hoch bleiben? Welche Segmente treiben den Solarmarkt in Deutschland und der Welt?
Auf der internationalen Klimaschutzkonferenz COP28 im Dezember 2023 haben sich die politischen Entscheidungsträger verpflichtet, die globale Kapazität für erneuerbare Energien bis 2030 auf mindestens 11 TW zu verdreifachen. Man hat sich also vorgenommen, innerhalb von sechs Jahren das Dreifache von dem an erneuerbaren Energien auszubauen, was zuvor in Jahrzehnten installiert worden ist. Ist diese Zielsetzung realistisch? Wie weit kann der Solarboom dazu beitragen?
Einschätzungen zu diesen Fragen geben unterschiedliche renommierte Studien.
Was treibt den globalen Solarboom an?
Ein entscheidender Faktor für das jüngste Wachstum ist der drastische Preisverfall bei Solarmodulen. Während diese in den 1980er Jahren noch rund 20 US-Dollar pro Watt kosteten, liegt der Preis heute unter 0,30 US-Dollar pro Watt. Dieser Rückgang ist auf technologische Fortschritte, Skaleneffekte und Überkapazitäten in der Produktion zurückzuführen.
Allein im Jahr 2021 ist die Produktionskapazität verdreifacht worden. Besonders in China wurden in den vergangenen Jahren riesige Produktionskapazitäten aufgebaut, die inzwischen bei etwa einem Terawatt pro Jahr liegen dürften.5 Die Nachfrage jedoch ist langsamer gestiegen als die Produktionskapazitäten gewachsen sind, was zu sinkenden Preisen beigetragen hat. Allein im Jahr 2023 haben sich die Spotpreise für Solarmodule im Vergleich zum Vorjahr fast halbiert.
Die globale Energiekrise von 2022 hat die Nachfrage in vielen Regionen jedoch zusätzlich angekurbelt, da Regierungen, Unternehmen und Verbraucher vermehrt auf Solarenergie als kostengünstige und verlässliche Alternative setzten. Zudem beschleunigte sich die Elektrifizierung der Wärme- und Transportsektoren. Auch wurde 2023 eine Vielzahl von Aufträgen aus den Jahren 2021 und 2022 umgesetzt. Viele der geplanten Projekte konnten zu günstigeren Preisen realisiert werden, da Module und Installationsbetriebe wieder verfügbar waren.6
Welche Wachstumsraten sind im Solarmarkt realistisch?
Die globalen Wachstumsraten des Photovoltaikmarkts sind beeindruckend und werden sich in den kommenden Jahren voraussichtlich stabil bei 10–20 % pro Jahr bewegen. Laut Berichten der Internationalen Energieagentur (IEA) und des europäischen Solarverbands wird die installierte globale Solarleistung bis 2028 von derzeit 1,6 Terawatt (TW) auf 4 bis 5 TW ansteigen.7
IEA (2024), Wachstum der erneuerbaren Kapazitäten nach Technologien, Haupt- und beschleunigte Fälle, hellblau ist Utility, grün sind Aufdachanlagen, 2005-2028, @IEA, Paris CC BY 4.0
Nach einem außergewöhnlich schnellen Wachstum im Jahr 2023, das durch die post-pandemische Verfügbarkeit von Produkten und die Energiekrise angetrieben wurde, ist die Photovoltaik 2024 um 496 Gigawatt installierte Leistung gewachsen, wobei die Analysten von Wood Mackenzie ein ähnliches Wachstum für 2025 prognostizieren.8 Die Produktionskapazitäten werden zwar weiter zunehmen, jedoch nicht mehr in dem außergewöhnlichen Ausmaß der letzten beiden Jahre. Auch die Modulpreise dürften nicht mehr so stark sinken wie im Laufe des Jahres 2023. Dennoch wird für die kommenden vier Jahren ein erhebliches Nachfragewachstum prognostiziert, da weitere Kostenverbesserungen und die kontinuierliche Verfügbarkeit von Komponenten die Solarenergie immer attraktiver machen. Die Klimakrise und Fragen der Energiesicherheit werden dabei weiterhin wichtige Triebkräfte sein.
Während der Ausbau von Solar- und Windenergie weltweit bis 2028 stark zunehmen soll, unterscheiden sich die Szenarien je nach politischer und wirtschaftlicher Entwicklung. Langsamere Wachstumsraten könnten durch ungelöste Handelsstreitigkeiten, hohe Zinsen und Verzögerungen bei politischen Maßnahmen sowie Infrastrukturausbauten verursacht werden. Besonders China, der zentrale Wachstumstreiber, könnte sich durch Netzengpässe veranlasst sehen, den Ausbau der inländischen Photovoltaik zu bremsen. Ein schnelleres Wachstum ist hingegen möglich, wenn die Lehren aus der Energiekrise gezogen werden, Politik und Märkte flexibel reagieren und die notwendige Infrastruktur schnell bereitgestellt wird.
Um das volle Potenzial der Solarenergie auszuschöpfen, müssen vor allem Hindernisse wie ein unzureichender Zubau von Stromnetzen, fehlende Flexibiltiätsanreize, Investitionshemmnisse und langwierige Genehmigungsverfahren beseitigt werden.
Auch in Deutschland zeigt die Trendlinie, dass der Ausbau der Solarenergie noch weiter beschleunigt werden muss. Der jährliche Netto-Zubau soll bis 2026 auf 22 Gigawatt-Peak (GWp) steigen, um das nationale Ziel von 215 GW bis 2030 zu erreichen.9 10
Welche Marktsegmente wachsen am stärksten?
In Deutschland verzeichnen sowohl Freiflächenanlagen als auch Aufdachanlagen ein dynamisches Wachstum, wobei Aufdachanlagen derzeit dominieren. Der Anteil an Aufdachanlagen liegt seit Jahren stabil bei etwa 70 % der installierten Gesamtleistung, während im Segment der Freiflächenanlagen ein erhebliches Ausbaupotenzial besteht. Ein großer Teil der Freiflächenanlagen wird über EEG-Ausschreibungen gefördert, wobei auch ungeförderte Projekte zunehmend an Bedeutung gewinnen.11
Aufdachanlagen sind der Haupttreiber des Photovoltaik-Ausbaus in Deutschland. 94 % der im vergangenen Jahr neu installierten PV-Leistung auf Gebäuden profitierte von Eigenverbrauchsvorteilen kombiniert mit Einspeisetarifen. Besonders kleinere Anlagen bis 25 Kilowatt (kW) auf Wohn-, gewerblichen oder landwirtschaftlichen Gebäuden machten einen erheblichen Teil des Zubaus aus. In genau diesem Segment ist jedoch in den Sommermonaten ein rückläufiger Trend verzeichnet worden.12 13
Mittelfristig wird auf eine Angleichung der Anteile von Freiflächen- und Aufdachanlagen abgezielt, sodass beide Segmente künftig je 50 % der installierten Leistung ausmachen sollen. Die Ausschreibung im Juli 2024 war fast doppelt überzeichnet, was auf eine positive Projektpipeline hindeutet.14 Mittelfristig dürfte sich auch der Ersatz älterer Anlagen schrittweise zu einem ernsthaften Marktsegment entwickeln.15
Global ist das Wachstum der Photovoltaik sehr ungleich verteilt. 2023 entfielen 56 % der weltweit installierten Kapazität auf China. Immer mehr Länder entwickeln sich jedoch zu sogenannten „GW-Märkten“, also Märkten, die jährlich mindestens 1 GW Solarenergie installieren. Während 2022 noch 28 Länder zu diesem Kreis zählten, waren es 2023 bereits 31, darunter 14 EU-Mitgliedsstaaten. Bis 2025 wird die Zahl dieser GW-Märkte voraussichtlich auf 50 ansteigen.16
Das Freiflächen-Segment wird weltweit weiterhin stark wachsen und auch in den kommenden Jahren über die Hälfte der Ausbauzahlen ausmachen. Auch das Aufdach-Segment bleibt zukunftsträchtig, wobei das Wachstum leicht abflachen könnte. In Europa können niedrige Energiepreise das Wachstum im Aufdachsegment verlangsamen.17
Ist die Photovoltaik der Game-Changer für den Klimaschutz?
In allen betrachteten Studien und Szenarien wird deutlich, dass sich der Solar-Boom fortsetzen wird. Die entscheidende Frage für den Klimaschutz ist jedoch, ob der Boom stark genug sein wird, um die notwendige Verdreifachung der globalen Kapazität erneuerbarer Energien auf über 11 Terawatt (TW) bis 2030 zu erreichen. Die Studien präsentieren optimistische Szenarien, weisen jedoch darauf hin, dass bestimmte Herausforderungen überwunden werden müssen, um diesen Best-Case zu realisieren.
Ein Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) für 2023 identifiziert vier zentrale Handlungsfelder, die für das Erreichen dieses Ziels entscheidend sind und sich je nach Land und Region unterschiedlich ausprägen: Unsicherheiten in der Politik, unzureichende Investitionen in die Netzinfrastruktur, komplexe Genehmigungsverfahren sowie Finanzierungslücken in Entwicklungs- und Schwellenländern.18
Politische Unsicherheiten und verzögerte Reaktionen auf das neue makroökonomische Umfeld erschweren den Ausbau erneuerbarer Energien erheblich. Insbesondere in entwickelten Ländern sind durch steigende Kosten und fehlende Preisindexierungsmodelle viele Solarprojekte schwer finanzierbar geworden. Laut BloombergNEF wurden 2023 rund 1,8 Billionen US-Dollar in kohlenstoffarme Technologien investiert. Um die Netto-Null-Ziele zu erreichen, müsste diese Summe auf durchschnittlich 5,4 Billionen US-Dollar jährlich steigen – eine Verdreifachung der aktuellen Investitionsrate.19
@VenSol Neue Energien GmbH
Ein weiteres Hindernis ist die unzureichende Investition in die Netzinfrastruktur. Weltweit befinden sich mehr als 3.000 Gigawatt (GW) an erneuerbarer Kapazität in Warteschlangen, und viele dieser Projekte sind bereits in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien. Der Bau neuer Netze dauert jedoch oft fünf bis 15 Jahre, deutlich länger als die Entwicklung erneuerbarer Projekte.20 Es ist daher notwendig, die Abhängigkeit vom Netzausbau zu vermindern, was durch Flexibilitätsmärkte, die Überbauung von Netzanschlusspunkten und Hybridkraftwerke erfolgen kann.
Zusätzlich hemmen umständliche Genehmigungsverfahren den Fortschritt. Die Zeit, um Genehmigungen für PV-Freiflächenanlagen zu erhalten, kann bis zu fünf Jahre betragen. Eine Vereinfachung dieser Verfahren, klare Zeitrahmen für Genehmigungen und Vorrangflächen für erneuerbare Projekte könnten die Prozesse erheblich beschleunigen.
Ein Großteil der notwendigen Verdreifachung kann innerhalb der G20-Staaten erreicht werden, wenn bestehende Ausbauziele und die dafür notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen konsequent umgesetzt werden. Analysten gehen davon aus, dass Präsident Trump in den USA die Politik im Bereich der Photovoltaik ähnlich fortführen wird.21 Eventuell werden Finanzierungsmechanismen und Steuervorteile abgeschwächt.22 Gleichzeitig müssen auch Schwellen- und Entwicklungsländer außerhalb der G20, die bisher keine klaren Ziele oder Unterstützungsmaßnahmen haben, für die globale Energiewende gewonnen werden.
Fazit
So herausragend die Wachstumsraten des Solar-Booms klingen, wird ein langer Atem benötigt, um den für das Leben auf der Erde gefährlichen globalen Temperaturanstieg auszubremsen. Nicht entmutigen lassen darf man sich von den Primärenergie-Zahlen, denen zufolge die Solarenergie im Jahr 2023 lediglich 5,5 % zur globalen Stromproduktion beigetragen habe.23 Denn während bei fossilen Energien etwa 70 % der Primärenergie als Abwärme verloren gehen und 30 % als Strom genutzt werden können, liefern erneuerbare Energien zu 100 % nutzbaren Strom. Zudem ist die Effizienz elektrisch angetriebener Fahrzeuge gegenüber Verbrennern dreimal höher.24 Die optimistischen Szenarien zeigen, dass der Photovoltaik-Boom die Erreichung der erneuerbaren Ausbauziele in greifbarer Nähe gerückt hat.
Die Photovoltaik ist daher ein entscheidendes Element im Klimaschutz und bietet guten Grund für Hoffnung. Sie ist die wichtigste Energiequelle der Zukunft. Auf Platz zwei innerhalb der notwendigen erneuerbaren Energiequellen befindet sich die Windenergie. Zudem ist die Erreichung von Energieeffizienz-Zielen von herausragender Bedeutung, wobei die Elektrifizierung im Verkehr und der Wärmeversorgung eine bedeutsame Rolle spielt.
1 Global annual investment in solar PV and other generation technologies, 2021-2024 (IEA 2024)
2 The exponential growth of solar power will change the world (The Economist 2024)
3 DIW Wochenbericht: Solarenergie in Deutschland boomt (DIW 2024)
4 Ausbau der Solarenergie: viel Licht, aber auch Schatten (DIW 2024)
5 DIW Wochenbericht: Solarenergie in Deutschland boomt (DIW 2024)
6 Global Market Outlook for Solar Power 2024–2028 (Solar Power Europe, 2024)
7 Global Market Outlook for Solar Power 2024–2028 (Solar Power Europe, 2024)
8 Wood Mackenzie prognostiziert für 2025 eine Stagnation des Photovoltaik-Wachstums (pv magazine)
9 Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland (Fraunhofer ISE, 2024)
10 DIW Wochenbericht: Solarenergie in Deutschland boomt (DIW 2024)
12 Zubau bei Photovoltaikanlagen unter 30 Kilowatt geht deutlich zurück (pv magazine)
13 The smarter E schließt mit Rekordzahlen, aber auch skeptischem Blick in die Zukunft (pv magazine)
14 Ergebnisse der Ausschreibung für PV-Freiflächenanlagen (Fachagentur Wind und Solar 2024)
15 Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland (Fraunhofer ISE, 2024)
16 Global Market Outlook for Solar Power 2024–2028 (Solar Power Europe, 2024)
17 Global Market Outlook for Solar Power 2024–2028 (Solar Power Europe, 2024)
19 New Energy Outlook 2024 (BloombergNEF)
21 Die Zukunft der Politik für erneuerbare Energie in einer neuen Trump-Regierung (pv magazine)
22 Welchen Stellenwert die Photovoltaik in der Energiepolitik von Donald Trump hat (pv magazine)
23 Global Market Outlook for Solar Power 2024–2028 (Solar Power Europe, 2024)
24 LinkedIn Post des Energieexperten Stefan Meyer zu Primärenergie-Irrtum

Kilian Rüfer
Der Autor Kilian Rüfer ist Energieblogger und schreibt über die Energiewende, Sustainable Finance und Klimakommunikation.