Zukunftstechnologie Agri-PV: Wie meteocontrol bei der Markteinführung mitwirkt
Das Trendthema Agri-Photovoltaik gilt als innovativer Ausweg aus dem Dilemma, dass Freilandflächen immer nur einem Zweck dienen können: Landwirtschaft oder Photovoltaik. Diesen Flächennutzungskonflikt löst Agri-PV auf und macht aus dem „Oder” ein „Und” – so können Nahrung und Solarstrom auf ein und derselben Fläche produziert werden.
Die doppelte Bewirtschaftung von Landflächen verspricht Zusatzerlöse für Betriebsgesellschaften und Synergieeffekte für die Landwirtschaft. Denn horizontale PV-Anlagen schützen Anbaukulturen wie ein Dach vor Folgen der Klimaerwärmung, wie beispielsweise Hagel, Starkregen, Dürreperioden oder Sonnenbrand.
Dem gegenüber stehen Herausforderungen, denn mit der Agri-PV steigt die technische Komplexität: Die PV-Anlage und der landwirtschaftliche Anbau werden komplizierter. Bei PV-Anlagen sind die Planung, Errichtung und Konstruktion aufwändiger und kostspieliger. Die Planung und Umsetzung der jeweiligen Agri-PV-Anlage wird auf die Pflanzenkultur und den landwirtschaftlichen Fuhrpark abgestimmt, um eine praktikable Bewirtschaftungsbreite festzulegen. Es muss also doppeltes Know-how aufgebaut werden – Detailfragen können in der Praxis möglichst anwendungsnah geklärt und in begleitenden Studien validiert werden.
Die Chancen und Hemmnisse der Agri-Photovoltaik sind mehr als Grund genug, die Zukunftstechnologie weiter zu erforschen und zu erproben.
Das dachte sich auch die Expertenjury des österreichischen Klima- und Energiefonds, als sie die Forschungs- und Demonstrationsanlage “EWS Sonnenfeld Bruck/Leitha” als Muster- und Leuchtturmprojekt im Bereich der Photovoltaik bezuschlagt hat. Geplant und entwickelt wurde das Projekt durch die EWS Consulting GmbH und gemeinsam mit dem Projektpartner Energiepark Bruck/Leitha GmbH umgesetzt. Erforscht wird die im November ans Netz gegangene 3 Megawatt-Agri-PV-Anlage durch die Wiener Universität für Bodenkultur. Dafür wurde sie mit Mess- und Überwachungstechnik von meteocontrol ausgestattet.
Vielversprechende Innovationen
Das Konzept Agri-PV ist vielfältig: Von flach oder hoch aufgeständert, über horizontal oder vertikal angebrachte Module bis hin zu verschiedenen Ackerfrüchten und Sonderkulturen wie Kräutern, Wein oder Obst, gibt es diverse Variationen. Verschiedene dieser Konstellationen werden bereits erprobt und wissenschaftlich begleitet. Manche von ihnen haben so den Weg in die Praxis bereits gefunden.
Die Demonstrationsanlage EWS Sonnenfeld Bruck/Leitha bringt konzeptionelle Besonderheiten mit sich:
- Sie denkt Biodiversität mit. Unterhalb der Module werden zweimetrige Blühstreifen angelegt, die in ihrer Summe 18 Prozent der Gesamtfläche ausmachen. Diese Bereiche lassen sich ohnehin schlecht bewirtschaften. In Agri-PV-Systemen kommen – insbesondere bei der konventionellen Landwirtschaft – häufig artenarme Monokulturen zum Einsatz.
- Ihre in 2,8 Meter Höhe montierten Modultische sind schwenkbar. Damit lässt sich ihr Neigungswinkel automatisch am Sonnenverlauf ausrichten, was die Stromerträge steigert. Zudem können die Modultische an Erntetagen aufgerichtet werden, um Platz für Erntefahrzeuge zu schaffen.
Wie das Sonnenfeld mit seinen schwenkbaren Modultischen und die Bodenbearbeitung mit einem Grubber in der Praxis aussieht, können Sie sich im Video anschauen.
Das Forschungsdesign der in Niederösterreich gelegenen Demonstrationsanlage ist ebenfalls interessant. Untersucht werden die Wechselwirkungen zwischen der Stromerzeugung und der Landwirtschaft. Dafür werden auf dem 5,1 Hektar großen Versuchsgelände unterschiedliche Varianten erprobt und ihre Performance ausgewertet.
Getestet werden:
- Bewirtschaftungsbreiten von 6, 9 und 12 Metern mit nachgeführten Systemen
- fest ausgerichtete Modultische in unterschiedlichen Neigungen und Ausrichtungen
- die Mehrerträge durch bifaziale Module und Leistungsoptimierer
Die landwirtschaftliche Leistung unterhalb der unterschiedlichen PV-Varianten wird mit einem unverbauten Acker und die Biodiversität aller Agri-PV-Systeme mit einer Brachfläche verglichen. Für die Datenerhebung dieser wissenschaftlichen Untersuchungen wird Messtechnik benötigt.
Mess- und Steuerungstechnik von meteocontrol
Im Bereich der Agri-Photovoltaik misst und verarbeitet meteocontrol sowohl Solardaten als auch landwirtschaftliche Daten. Damit werden die Erträge der PV-Anlage optimiert, ein verlässlicher Betrieb sichergestellt und Forschungsdaten erhoben.
Dafür wurden das Sonnenfeld und die Referenzflächen mit diversen Sensoren und Messinstrumenten ausgestattet und an die Plattform der meteocontrol VCOM Cloud angeschlossen. Über eine Kompaktwetterstation (WS600-UMB) beispielsweise werden Parameter wie der Niederschlag, die Windgeschwindigkeit, die Windrichtung und Temperaturen gemessen. Weitere Sensoren erfassen die pflanzlich nutzbare Wasserverfügbarkeit im Boden, die Intensität der Teilverschattungen und die photosynthetisch aktive Strahlung.
Das Trackingsystem von Ideematec zur automatischen Modulausrichtung am Sonneneinstrahlungswinkel kommuniziert aktiv mit dem meteocontrol Parkregler (blue’Log®), der die Daten der extern angebundenen Sensoren sammelt. Dadurch ist es in der Lage, die Module bei hohen Windgeschwindigkeiten automatisch aufzustellen und so aus dem Wind zu nehmen.
Wie verbreitet ist Agri-Photovoltaik?
Während noch Forschungsbedarf besteht, hat die Agri-Photovoltaik nichtsdestotrotz bereits ein Stück weit in der Praxis Einzug gehalten: Laut Schätzungen der Fraunhofer Gesellschaft sind weltweit bereits 14 GWp Leistung installiert, was grob 2 Prozent aller PV-Installationen ausmacht. Der Großteil davon befindet sich in China (12 GWp). In Japan und Südkorea wird auf kleine Agri-PV-Anlagen gesetzt, von denen in Japan 2022 bereits mehr als 3.000 Anlagen installiert wurden. In Frankreich werden seit dem Jahr 2017 jährlich 15 MWp Agri-PV ausgeschrieben. meteocontrol selbst hat in Deutschland (2,5 MWp in Freising mit Freiland Ochsenhaltung) und Frankreich (2,4 MWp in Amance, Haute-Saône mit Feldfrüchten wie Soja und Getreide) Agri-PV-Systeme mit Überwachungs- und Steuerungstechnik ausgestattet.
In Deutschland wurden neben Forschungsanlagen im Rahmen von Innovationsausschreibungen einige Praxisanlagen realisiert. Mit dem EEG 2023 müssen Agri-PV-Anlagen in die gleichen Ausschreibungen wie Solarparks, wobei sie einen Technologiebonus von 1,2 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Dieser reicht laut dem Deutschen Bauernverband, dem Fraunhofer ISE und der Hochschule Kehl jedoch bei Weitem nicht aus, um einen nennenswerten Zubau hoch aufgeständerter Anlagen zu erzielen. Die Agri-PV-Macher aus Munderfing sehen große Potenziale: „In Österreich können wir 17 Prozent des Gesamtstromverbrauchs auf Agri-PV-Feldern ernten und zugleich Nahrung erzeugen.”, so Joachim Payr, Produktentwickler des EWS Sonnenfeld®.
Die Markteinführung von Agri-PV und damit die Auflösung von Flächennutzungskonflikten hängt stark von den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen ab. Ohne Unterstützung wird der wesentliche Zubau im Bereich der Photovoltaik auch weiterhin nur in Form von Dachanlagen und Solarparks erfolgen können. Ob sich dies mittelfristig ändert, hängt nicht nur von den Rahmenbedingungen ab, sondern auch von Branchenpionieren und dem Wissenszuwachs, der auf Demonstrationsanlagen wie dem EWS Sonnenfeld in Bruck an der Leitha entsteht.
Mehr zum Thema unter: EWS Sonnenfeld: News: 17 % des Gesamtstromverbrauchs in Österreich kann von Sonnenfeldern kommen